Samstag, 24. Januar 2009
 
"Dem Vertrauen abträglich" PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Bernhard Redl, akin   
Dienstag, 3. Juni 2008

Die nach §278a beschuldigten TierschützerInnen sind immer noch in Haft und wissen auch noch immer genausowenig, warum eigentlich.

Nach wie vor sind die zehn Angehörigen von Tierrechtsgruppen in Haft. Mittlerweile wurden einige von ihnen auf verschiedene Strafanstalten (LG Wien, JA Wien-Josefstadt, LG Wiener Neustadt, JA Eisenstadt) aufgeteilt – angeblich um einen Kontakt unter ihnen zu vermeiden.


Zum Teil sind die Inhaftierten gegen ihre Anhaltung in Hungerstreik getreten. Auch die übrigen hungerten anfangs, da sie kein nicht-veganes Essen zu sich nehmen wollten. Jetzt soll zumindest in Wiener Neustadt veganes Essen ausgegeben werden. Am Freitag oder Montag soll ein erster Haftprüfungstermin stattfinden. Bis dahin ist mit keiner Entlassung zu rechnen.


Mittlerweile sind die Vorwürfe teilweise bekannt. Martin Balluch, Obmann des Vereins gegen Tierfabriken und derzeit in Haft, zitiert aus den ihm vorliegenden 1500 Seiten des Aktes: Er bestehe "in erster Linie aus polizeilichen Ermittlungsberichten von insgesamt 27 Tierschutzaktionen in den letzten Jahren. Darunter fallen Aktionen von ‘Stalking einer Angestellten eines pelzführenden Geschäftes’ über ‘Aufhängen eines Anti-Pelz Plakates auf der Westautobahn’ und 2x ‘Verteilen von Papierschnipseln in Geschäftsräumen pelzführender Geschäfte’ bis zum Beschädigen von Autos, Einschlagen von Scheiben und Werfen von Stinkbomben. In dem gesamten Akt ist keine Rede von Brandlegung oder Gasangriffen, wie das meines Wissens von der Staatsanwaltschaft gegenüber Medien behauptet wurde. Vielmehr hat der ORF berichtet, gab es im Jahr 2000 eine Brandstiftung mit Tierschutz- zusammenhang, seitdem nicht mehr." Tatsächlich komme, so Balluch, sein Name in diesen Aktenstücken gerade dreimal vor, allerdings lediglich im Zusammenhang mit Stellungnahmen von ihm gegenüber Medien. Konkrete Vorwürfe gegen sich konnte er in diesem ersten Aktenteil nicht erkennen.


Ein weiterer Aktenteil wurde am Mittwoch letzter Woche bekannt. Darin ist etwas zu lesen von einem wohl ebenfalls verdächtigten grünen Gemeinderat aus NÖ, der die wesentlichste belastende Aussage gemacht haben soll. Angeblich habe er ausgesagt, er sei überzeugt von der Täterschaft eines der Beschuldigten in Bezug auf einen Brandanschlag. Doch der Mandatar bestreitet nun ganz massiv, diese Aussage je gemacht zu haben.

Proteste

Nun sind auch viele bürgerliche Stellungnahmen eingelangt, die weder als links, grün oder menschenrechtsorganisiert verdächtigt werden können. Von der Hausdurchsuchung bei RespekTiere in Bergheim (Salzburg) berichtet beispielsweise das dortige Bezirksblatt alles andere als wohlwollend über die Polizeiaktion und lässt nur die Betroffenen zu Wort kommen. SP-Justizsprecher Jarolim bezeichnete die Geschehnisse "als dem Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in Polizei und Justiz abträglich", bezweifelte den Haftgrund Verdunklelungsgefahr und fand "es bedauerlich, dass seitens der Behörden keine weiteren Informationen herausgegeben wurden, die die geäußerten Vorwürfe nachvollziehbar oder widerlegbar machen würden." Während diese Worte, wohl auch aus Rücksicht auf die schweigsame Justizministerin, eher bedächtig gewählt worden waren, wird der Österreichische Tierschutzverein sehr deutlich: "Die Polizeiaktion war jedenfalls völlig unangebracht und überzogen und erinnert in ihrer brutalen Vorgehensweise an unselige Nazizeiten. Was geht in den Köpfen eines Staatsanwalts vor, der gegen Tierschützer die WEGA aufmarschieren lässt und in einem Richter, der gegen Tierschützer U-Haft verhängt? Denn selbst wenn die Vorwürfe sich bewahrheiten sollten, handelt es sich dabei um Notwehraktionen für
hilflose Tiere."


Auch die Proteste auf der Straße halten an. Als ein Beispiel von sehr vielen Demos der letzten Tage für die Freilassung der Inhaftierten sei hier die Demo am Donnerstag in Wien genannt. Es demonstrierte eine Gruppe von rund 200 Leuten vom Schottentor zum Landesgericht und zum Justizministerium – bewacht von neun Polizeiwagen.


Klar wurde dabei aus den Reden, Parolen und Transparenten, dass es bei den Protesten weniger um Tierschutz geht, sondern um Solidarität für Menschen, deren fundamentale Rechte unter fadenscheinigen Begründungen mit Füßen getreten werden.


In Wien gibt es mittlerweile fast täglich kleinere Demonstrationen, mehrmals waren auch schon Gruppen nach Wiener Neustadt unterwegs. Kundgebungen gab es auch in einigen Landeshauptstädten, in mehreren deutschen Städten sowie in Zürich und Talinn vor den diplomatischen Vertretungen Österreichs. Für den 4.Juni wurde ein globaler Aktionstag ausgerufen.


Polizei und Justiz hingegen dürften sich davon wenig beeindrucken lassen. Im Gegenteil: Oberstleutnant Josef Böck, der Leiter der Soko Tierschützer, verfasste bereits am Tag nach den Verhaftungen einen "Anfallsbericht", in dem es heißt: "Bei Recherchen in diversen Internetforen wurden am 22.5.2008 auf den Seiten ‘at.indymedia.org’ sowie ‘no-racism.net’ ... Missfallenskundgebungen festgestellt, welche der StA Wr. Neustadt zur strafrechtlichen Beurteilung zur Kenntnis gebracht werden".

Kommentar: Die nächsten sind wir
Hintergrund/Recht: Dabei sein ist alles - der §278a

Laufende Aktionshinweise: http://at.indymedia.org/
Sonstige Infos: http://antirep2008.lnxnt.org

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